Trauerfotografie-Blog. Gedicht: Wenn du mich suchst

Ein lieber Freund von mir, Justin Harms, hat das nachfolgende Gedicht verfasst. Als ich es hörte, hat es mich sehr berührt und ich freue mich, es hier im Trauerfotografie-Blog veröffentlichen zu dürfen. "Wenn du mich suchst" beschreibt, wie ein Mensch mit seinen Gepflogenheiten Erinnerungen im Herzen hinterlässt und dort bleiben darf.

Von Justin Harms, 2023

Ich bin doch nicht fort

Nicht wirklich

Wenn du mich suchst

Blättere in den Seiten meiner geliebten Bücher

Nimm ihren Geruch auf

Siehe zu wie die Seiten Staub aufwirbeln

Der in den vereinzelten Sonnenstrahlen anfängt zu tanzen 

Stehe auf, greife nach meiner Hand & tanz mit

Ich bin doch nicht fort

Nicht wirklich 

Wenn du mich suchst 

Setze dich in meinen Sessel

Höre zu wie das Leder unter dir knarrt und lege die Füße für mich mit hoch 

Zu einer Tasse Tee würde ich auch nicht Nein sagen 

Und vergiss nicht die Kunst an den Wänden zu betrachten 

Ich weiß 

Ich habe hier alles ziemlich dicht gehängt

Verzeih bitte

Ich bin doch nicht fort 

Nicht wirklich 

Wenn du mich suchst 

Komm in meine Werkstatt Siehe dir mein Chaos an 

Lass die Finger über das Holz der Möbel gleiten 

Schau dort die halbfertig genähten Kleider 

Aber bitte lass die Hände von meinen Uhren, die sind empfindlich

Wie ich 

Ich bin doch nicht fort

Nicht wirklich 

Wenn du mich suchst

Lass doch nochmal diesen einen Film laufen

Lache bis zu den Tränen mit mir

Staune über die Schönheit 

&

Fühle was ich fühle 

Ich bin doch nicht fort

Nicht wirklich 

Wenn du mich suchst 

Greife zur Feder 

Lies meine Zeilen oder rede mit mir

Auch gerne stundenlang 

Ich bin ein unfreiwillig guter Zuhörer 

Wie du weißt 

Ich bin doch nicht fort 

Nicht wirklich 

Komm

Spaziere ein weiteres Mal durch den Wald mit mir

Entdecke die Abenteuer, die sonst niemand sieht 

Natürlich trage ich meinen Mantel 

Meine Rüstung 

Ich bin doch nicht fort

Oder? 

Siehst du mich nicht 

Wie ich im Allertagsstaat

In meinen Sessel sitze

Das Papier zwischen meinen Händen raschelt 

Die Uhren um mich herum ticken 

Ein Feuer knistert in meinem Rücken 

Der Plattenspieler singt begeistert: "Return to Sender, Adress unknown ..." 

Während mein Blick zu den Gleisen schweift, über welche der alte Zug vor dem Fenster gleitet 

Neben mir mein Tee und das werte Gebäck 

Umgeben von allem was ich noch bin 

Siehst du mich denn nicht ?

Justin Harms ist ein 23-jähriger Dichter, der in Lüneburg lebt. Mit einer Vorliebe für althergebrachte und bildhafte Sprache lädt Justin Harms in kleinen Momenten und Geschichten zum Träumen ein. Durch seine romantische Betrachtung der Realität zeigt er Gefühle und macht diese für andere erlebbar.